Frankfurt am Main, Oeder Weg
Jahr der Fertigstellung: 2001
Auftraggeber: SAB Combau
Photo: Daniel Neuhaus
Presseberichte:
Frankfurter Rundschau vom 3.August 2000 Nr.178
"Ein Propeller zur Überwindung der Tristesse"
Wandmaler dekorieren den Anbau des künftigen ,,MetropoIis“-Filmpalastes
Von Claudia Michels
Alles Fassade: Dem Substanzverlust am Volksbildungsheim folgt derzeit am Oeder Weg die Illusion einer Rekonstruktion. Ein Berliner Kunsterzieher und seine drei Söhne tragen am Anbau mittels Pinseln und Sprühschläuchen Fenster und Brüstungen, Laibungen und Gesimse auf . Das Volk am Boden registriert den Zuwachs an schönem Schein mit Genugtuung: „Eine kahle Wand", meinte ein Kunde im Copy-Shop nebenan, „wäre ja fürchterlich".
Ein Bild von einem Kulturdenkmal: Vater Gert Neuhaus und die Söhne Oliver Peucelle, Patrick und Daniel Neuhaus leben und arbeiten, nach Art einer traditionellen Malerschule, seit zwei Wochen damit. Mit der ihnen zugewiesenen fensterlosen Wand, hinter der sich künftig dem Kinopublikum Treppenhäuser und Säle auftun, wird das historische Schulungsgebäude zum “Metropolis"-Lichtspielpalast verlängert. Laut Entwurf soll sich die Welt der Illusionen von drinnen nach außen mit Hilfe eines gewaltigen Propellers Bahn brechen, der das vom Hauptbau kopierte Mauerwerk zu zerteilen scheint. Die „Überwindung der Tristesse" treibt Gert Neuhaus, der in einer Berliner Schule Kunst unterrichtet, an die Mauern der Städte: „Ich verbrate häufig die Ferien damit." Einen Schuber von Postkarten Berliner Wandgemälde trägt der Vater griffbereit bei sich in der verklecksten Aktenmappe; „Ich bin ein Kriegskind, ich hab' die Zerstörungen erlebt."
Am Volksbildungsheim hat der Einsatz der Vier eine weitere Glas-Fassade verhindert. Dem Bau-Subunternehmer fiel mit Vater und Söhnen Neuhaus etwas Bunteres und Anziehenderes ein. Gesimskanten, die Daniel auf einer Etage ansetzt, zieht Patrick ein Stockwerk tiefer senkrecht nach unten. Während der Vater in diesen Tagen großflächig die Galaxis aufsprüht, durch die demnächst deutlich sichtbar der Propeller stoßen wird.
Vieles wird an der Mauer auf Zuruf entschieden. Die letzten Striche, so schildern es die Söhne, liegen in der Hand des Vaters. Wenn die Wandmaler Abstand brauchen, wechseln sie auf die andere Straßenseite des Oeder Weges, fahren in den vierten Stock des gegenüberliegenden Gebäudes und stecken beim Blick auf ihre gemalte Illusion die Köpfe zusammen. Dann entdecken sie „viele Fehler, viele Verzerrungen". Man hat eben so ein Kolossalgemälde nur schwer im Griff: „Mir schlottern", gesteht Gert Neuhaus, „schon die Knie".
Gleichwohl: Nun müssen sie da durch. Wenn der Oeder Weg fertig ist, nimmt die Familie für vier Wochen eine zweite Wand an der rückwärts gelegenen Eschersheimer Landstraße unter die Pinsel: Dort sollen Säulen, Fabeltiere und Kreise ziehende Himmelskörper plastisch werden.